Eine Fiktion

Seit Jahrhunderten gibts in diesem Land Liegeräder; nun bei einer Ausstellung kommt was Neues auf den Markt: Uprights in verschiedenster Ausformung...

Kunde stellt seinen Lieger in den Hochkantparkautomaten, schlendert der Halle zu und äugt aufs Gebotene, ein Verkäufer wieselt ihn an...

Kunde, mißtrauisch: Warum haben die so große Räder, wo doch kleine steifer, leichter sind?

V: Sie rollen besser (er schiebt ein Tourenrad hin und her) – sehen sie?

K: Äh, nein, mhm. Und wie steigt man auf, das ist ja sehr hoch?

V: Das ist ganz einfach. Sie stellen das linke Pedal ein wenig hoch, steigen drauf, werfen das andere Bein über den Sattel, steigen ins andere Pedal und schwubbs –

K, zweifelnd: und das ist einfach? Naja, wenn Sie sagen..

Steigt ins Pedal, kriegt zuwenig Schwung, das Bein nicht drüber, crasht gegen einen Ladentisch. Verkäufer sammelt ihn zusammen, stellt ihn auf, Käufer blutet leicht aus der Nase.. Kunde wird verarztet und erhält einen Gratis Powerdrink..

V: Gehts wieder? Tja, wissen sie das sollte man natürlich schon als Kind lernen, da gehts leichter – greift sich unbewußt ans Knie..

K: Verstehe (grinst gequält) Kann man anders auch aufsteigen?

V: Ja, natürlich. Heben sie einfach das eine Bein (schiebt nach) ziehen sie den Sattel drunter – jaaa, sooo, sehen sie, es geht ja schon..

K: Der Sitz ist zu schmal, der drückt ja fürchterlich auf, auf, äh.. (die weibliche Verschönerung des Ladens kichert diskret, aber hörbar im Hintergrund)

V:, belehrend: Das heißt Sattel und ist sehr, sehr bequem. Muß natürlich richtig eingestellt werden und sie müssen sich daran gewöhnen – ich sag ihnen, ich fahr selber einen – ich könnte ohne nicht mehr leben.. (Leises Kichern aus der Verschönerungsecke)

K: Na gut, nehmen wir an ich gewöhn mich dran. Aber um Gottes Willen, ist das nicht gefährlich, so mit dem Kopf voraus zu fahren?

V: Neinneinnein, so sehen sie ja alles viel besser. Sie können viel früher um eine Ecke schaun, oder über Autodächer und selbstverständlich bekommen sie einen Helm gratis, solang der Vorrat reicht..

K: Und wenn ich gar nicht früher um eine Ecke schaun will oder über Autodächer? Und das komische Ding muß ich dabei aufhaben?

V: Sie werden sehen, das dient alles ihrer Sicherheit. Und sie schaun herum und wenn sie einen anderen Helm sehen gibt das ein Gefühl der Verbundenheit..

K: Hmh.. wieso hat der Sitz, äh Sattel keine Lehne? Da kann ich doch gar nicht richtig gegens Pedal treten ohne aus dem Sitz zu rutschen?

V:, nachsichtig: Sattel. Und selbstverständlich stehen sie in den Pedalen, wenn sie voll beschleunigen oder klettern wollen.

K:, ängstlich: So wie beim Aufsteigen?

V: Nein, nein, das tut nicht weh. Sie ziehen einfach am Lenker während
sie das Pedal runter pressen..

K: Das kann doch nicht effizient sein – haben sie eine Darstellung vom Kräfteparallelogramm das da entsteht?

V: Äh, nein. Aber das ist nur ein Vorurteil, daß man mit diesen Rahmentyp aufstehen muß beim Bergfahren. In Wirklichkeit ists einer der größten Vorteile, daß mans kann..

K:, leise zu sich: wers glaubt..laut: Wo sind denn die fairings?

V:, sich bekreuzigend: Agape..Knoblauch..UCI.. nein, sowas brauchen wir nicht – voll aufgerichtet können wir auf diesem Rad schon bei 15 km/h mehr als die Hälfte der Tretkraft mittels Luftwiderstand vernichten – nicht zu reden von schnellen Geschwindigkeiten (kichert) Das verstärkt den Trainingseffekt enorm und sie sind schon auf 1/2 Strecke so müde wie am Liegerad nach der Tour..

K: (schüttelt verwundert den Kopf..)Können sie sich einmal draufsetzen, damit ich seh wie das aussieht?

V: schwingt sich in den Sattel nimmt Rennposition ein

K: jawiesodenn heißt denn das Upright, sie sitzen ja ganz verbogen??

V:, belehrend: das nennt man Rennposition; damit hat das Rad fast sowenig Luftwiderstand, wie wenn sie bequem aufm Lieger sitzen..

K: Ahem, nur weils sich so deutlich aufdrängt – das scheint irgendwie so sadomasoartig, das Gerät...

V: Verwundert – ja was denn? (Die Verschönerung kichert und scheppert verführerisch mit ihren Handschellen) Was suchen sie denn eigentlich?

K: Die neuen Räder, doch, genau was hier steht!

V: Na eben, na eben, sie sind goldrichtig hier. Lust ist Schmerz und Last wird Lust und..

K: Danke, nein.. Das setzt sich nie durch, das Zeug..

V:, diabolisch: wetten daß...

© lui. Mit freundlicher Genehmigung.


Zuletzt aktualisiert: 30. September 1998 (1998-09-30)
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